# 62 – Bleib feucht!

20.42 Uhr, Taxiplatz „Brill“

Drei Herren, ordentlich betrunken, im verschiedenen Alter steigen ein und möchten nach Walle. Während der Fahrt klingelt das Handy vom ältesten. Er geht ran und sagt:

“ Ja? … Wir sind grad vom Weihnachtsmarkt aufm Heimweg … joa, paar Glühweine haben wir uns gekippt, dein Sohnemann war gut dabei … im Taxi, ich denke in 10 Minuten sind wir dann da … ach, der ist schon da? Ja, dann mach mal alles fertig … pink? Ist doch nicht dein ernst, oder? … Hm, naja, okay, ich bin gleich da. Ich kümmer mich gleich darum, bleib feucht!“

Er legt auf und ein jüngerer Mitfahrer räuspert sich:

– Ähm, war das meine Mutter?

– Jo

– Worum ging es?

– (lacht) Das ist kein gutes Gesprächsthema zwischen Schwiegervater und Sohn

– Doch, doch…ich will das jetzt wissen. Was ist schon da und pink?

– Sie hat da nen megateuren Vibrator gekauft. Der sollte eigentlich weß sein und nicht pink.

– Alter, was? Warum bestellt Sie sowas?

– Na weil deine Muddi untenrum nicht mehr so leicht nass wird! Was denkst du denn, mit der feuchtigkeit ist das so ne Sache! Aber Sie schmeißt den Vibrator jetzt mal an!

– Boah, hör auf, das ist eklig. Worum musst du dich denn dabei gleich kümmern?

– Sie soll jetzt mit der Vorarbeit starten, feucht bleiben, damit ich gleich direkt schön andocken kann!

– Ich kotz gleich man!

– Ey, mach dich locker! Jungs, stellt es euch mal alles bitte bildlich vor! Gerade in dem Moment liegt meine Frau mit gespreizten Beinen aufm Bett und besorgt es sich, Und wenn wir dann gleich zuhause sind, werd ich meinen Schwanz rausholen und es Ihr ordentlich besorgen? Alles klar? Wer ist jetzt hier der geile Macker?!? Ganz klar ich!

# 61 – Rassist

2:45 Uhr, Winker in der Friedrich-Ebert-Straße

Ein schwarzer stolpert auf die Fahrbahn und winkt mich heran. Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache, schalte die Zentralverriegelung an und frage erstmal durch das Fenster:

– Wo solls hingehen?

– Sielwall-Kreuzung!

Eine kurze Tour, irgendwas zwischen 6 – 8 Euro und theoretisch in 3 Minuten erledigt. Angesichts der Uhrzeit und des Ortes (ich wollte sowieso dorthin) eine unkomplizierte und sehr gute Sache. Obwohl mein Bauchgefühl mich weiter ausdrücklich warnt, lasse ich Ihn einsteigen.

An der Ampelkreuzung Tiefer / Altenwall will ich nach Links abbiegen – so wie es der kürzeste Weg (der ja für alle Taxifahrer verpflichtend ist) vorsieht. Dieser Weg beträgt genau 1 km. Alternativ kann man auch den Osterdeich weiterfahren, dann sind es 1,5 km.

Siehe Bild (zum vergrößern klicken)

wegziel88
Als ich den kürzeren Weg einschlagen will, schreit der Fahrgast auf und gestikuliert wild:

– Ey, Ey, Ey, Ey! Was du machen da? Du mich wollen verarschen?

– Warum? Wir fahren zum Sielwall, wir müssen links…

– Ey, Ey, ey,ey! Nix du machen! Nicht mit mir du machen das, du mich verstehen? Du mich wollen verarschen, ich genau wissen, du musst gerade aus fahren!

– Hör mir mal zu, wir müssen links fahren, der Weg ist deutlich kürzer. Aber wenn du willst fahr ich auch geradeaus weiter…

– (schreit) DU MICH VERARSCHEN? WAS IST LOS MIT DIR? DU DAS MACHEN, NUR WEIL ICH SCHWARZ BIN, ODER WAS? EY, EY, HÖR MAL ZU, HÖR MAL ZU, ICH HABE MESSER, WENN DU MACHEN SCHEIßE, ICH DICH TÖTEN, KLAR?

Ich bleibe mitten auf der Straße stehen, schalte Warnblinker an und halte meinen Finger über den Alarm-Taster. Ich antworte ruhig:

– Hey, Kollege, noch mal ganz in Ruhe: Der Weg ist kürzer. Kannst du mir ruhig glauben. Aber wenn du willst fahren wir geradeaus. Hier muss keiner schreien oder irgendein Messer haben, Okay? Ich rede ganz ruhig mit dir, kannst du das auch? Wir können das ganz in Ruhe klären…

– WAS DU REDEN VON RUHIG, HEH? DU SCHEIß RASSIST, DU DAS MACHEN WEIL ICH SCHWARZ BIN, DU BIST RASSIST! KLAR?!? WEIßE ARSCHLOCH DU BIST! NÄCHSTE MAL DU BIST TOT, DU VERSTEHEN MICH, EH?!

Er schmeißt mir einen zerknüllten 5-Euro-Schein entgegen, verlässt fluchtartig das Taxi und rennt in den Park.

# 60 – Glühwein

21:20 Uhr, am Taxistand Marktplatz. Ein Mann und eine Frau, beide anfang Vierzig steigen ein.

Die Dame möchte in die Neustadt, der Herr weiter nach Habenhausen. Die Fahrt verläuft schweigsam und ich habe den Eindruck, dass zwischen den beiden etwas vorgefallen ist.
Ein Streit womöglich?

Als die Dame ausgestiegen ist, sagt der Mann zu mir:

– Ähm, okay, das war eben ne komische Stimmung, oder?

– Wie meinen Sie das?

– Ach kommen Sie, das haben Sie doch sicher mitbekommen! Hier stimmte eben was nicht…

– Ja, es war schon eben etwas komisch. Ist was passiert?

– Ja und ob! Das ist meine Arbeitskollegin! Wir sind alle nach der Arbeit auf dem Weihnachtsmarkt gewesen! Jeder hat paar Glühweine getrunken und dann habe ich was völlig idiotisches gemacht!

– Und was…?

– Ich habe Sie geküsst! Keine Ahnung warum, ich hab halt ne schwäche für die Frau! Dabei ist die verheiratet mit Kindern, so wie ich! Jetzt ist die scheiße am Dampfen!

– Naja, so ein Kuss ist doch nichts schlimmes…

– Doch, doch, das ändert alles! Das war alles bislang kollegial und ohne Probleme. Jetzt wird es immer komisch bleiben. Dieser scheiß Glühwein hat es echt kaputtgemacht.

# 59 – Betrüger

Funkauftrag vom Park Hotel zum Hauptbahnhof. Das ist eine Entfernung von 1 – 1,5 Kilometern. Immerhin ging die Fahrt zum Haupteingang, dennoch eine sehr mickrige Tour, gerade mal 6 Euro wert. Zum Messe-Ausgang wären das wohl knapp 4 – 5 € gewesen.

Am Ende zeigte das Taxameter 6,60 € an und mein Fahrgast (ein Geschäftsmann aus Berlin) sagte entsetzt:

– Wie bitte? 6,60 € ? Kann doch jetzt nicht Ihr Ernst sein?

– Ähm, doch?

– Das glaube Ich jetzt wohl nicht!

– Wo ist denn das Problem? Sie wollten zum Hauptausgang, das ist nun etwas teurer, als der Messeausgang…

– Nein, nein, das meine ich doch gar nicht! Ihr Kollege hat mich zum Hotel eine ganz andere Strecke gefahren! Die hat deutlich länger gedauert!

– Hm, wieviel haben SIe denn bezahlt?

– 23 Euro

– 23 EURO???

– Ja!

– Dann kann ich mich nur in aller Form für den Kollegen entschuldigen, haben Sie denn noch die Quittung dieser Tour?

– Ja, in meinen Unterlagen.

– Dann bitte schauen Sie dort nochmal nach – im Regelfall steht dort die Taxiwagen-Nummer. Rufen Sie in der Zentrale an und melden dort diesen Vorfall.

Unglaublich. Ich bin nicht so leicht aus der Ruhe zu kriegen, aber bei solchen Betrüger-Arschloch-Kollegen werde ich wirklich wütend.

# 58 – Weiße Slippers und enge Hosen

Sonntag, 3:15 Uhr, Winker vor dem Hegartys Pub im „Viertel“

Ein junger Mann, mit Bauch, Bart, Baskenmütze und einem karrierten Hemd steigt ein. Ein ganz typischer und klischeehafter Besucher eines Irish Pub, der auf Guiness-Bier und irish folk Musik steht.

Das ist bei mir eine beliebte Sorte von Fahrgästen, denn diese Jungs sind meistens super drauf und geben auch nettes Trinkgeld. Mein Fahrgast schien jedoch nicht gut drauf zu sein und sagte deprimiert:

– Fahr mich mal bitte in die Eislebener Straße.

– Gerne. Du siehst etwas geknickt aus, alles klar bei dir?

– Neee, irgendwie nicht. Der Abend war scheiße.

– Was war denn los?

– Ach, die Weiber mal wieder!

– Hmmm…hast du Dir einen Korb eingefangen?

– Ja, gefühlt zum hunderttausendsten Mal! Ich check das nicht!

– Was ist schief gelaufen?

– Ach eigentlich gar nichts! Es gibt nunmal Leute die gehen am Samstag auf die Diskomeile oder in so ne Großraum-Disko. Das ist ja alles nicht meins! Und es gibt Leute die gehen, so wie ich, in einen Pub oder zu Konzerten im Tower. Und dort sollte man ja eigentlich auf gleichgesinnte Treffen! Dort gibt es jedenfalls immer sympathische und echte Mädels. Verstehste was ich mein?

– Nicht so ganz…

– Naja, guck doch mal! Geh mal in so eine typische Disko, wie Stubu oder La Viva. Dort gehen nur die Schlampen rein! Hautenge Klamotten oder Minirock, bauchfrei, titten hängen raus, High-Heels, 10 Tonnen Schminke im Gesicht! Die lassen sich dann von irgendwelchen schmierigen Typen einladen. Und dann lassen die sich abschleppen und machen die Beine breit für paar Cocktails. Neee, das ist echt nicht meins. Und im Pub oder Tower da haste noch echte Mädels. Die ziehen sich normal an, sehen nicht so überschminkt aus und man kann da echte Gespräche führen!

– Hmm, okay…

– Und mit so einer vernünftigen habe ich mich den ganzen Abend unterhalten. Super tiefsinnige Gespäche, wir waren voll auf einer Wellenlänge! Die steht sogar auf dieselben
Bands wie ich! Hat alles super geklappt! Da hats echt gefunkt!

– Und was ist passiert?

– Dann kam da so ein schmieriger und geleckter Sixpack-Typ! Weißte, die Jungs mit diesen weißen Slippers und diesen engen Hosen! So ein typischer Bubi aus McFit!
Der hat sich rotzfrech dazugesetzt, und Sie in ein Gespräch eingewickelt! Ich war plötzlich komplett abgemeldet und stand dumm daneben! Und es hat nur 20 Minuten gedauert und die beiden sind weitergezogen! Ey, ich raff das nicht, ich hab da 4 Stunden mit Ihr gesessen und Sie haut mit so einem kleinen möchtegern-Macho ab! Dabei hat der doch garantiert nix drauf! Das ist so fuckin ungerecht! Das ist doch ne Pussy und kein Mann…nichtmal nen billigen IKEA-Schrank könnte der zusammenbauen. Warum stehen die Frauen auf sowas?

Der Job und seine Schattenseiten

Das ist keine Anekdote aus meinem Taxi, sondern meine Gedanken zum Job als Taxifahrer:

Es war gegen 21.50 Uhr als an jedem Abend ein Fahrgast am Hauptbahnhof in mein Taxi stieg und mir eine Zieladresse in der Neustadt nannte. Die Fahrt verlief ganz normal,
bisschen Smalltalk, wie jede übliche Taxifahrt…

Es war ungefähr 10 Minuten früher, als 2 junge Männer in ein Taxi am Hauptbahnhof stiegen und sich nach Oslebshausen haben fahren lassen. Danach haben Sie mit einem Messer auf den Kollegen eingestochen und seine Einnahmen geraubt.

Gegen 22.05 Uhr war ich gut gelaunt unterwegs richtung Innenstadt. Der Kollege rief paar kilometer weiter um diese Zeit schwerverletzt den Notruf und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei ermittelt nun wegen versuchten Mord. Polizeimeldung

Dieser Kollege stand in derselben Taxischlange wie ich und war nur 2 oder 3 Wagenlängen vor mir. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir der Schreck immernoch in den Knochen steckt. An dieser Stelle kommt man automatisch ins grübeln – denn es kann sehr schnell gehen und man ist selbst mittendrin in so einem Szenario.

Was wäre wenn die vorherigen Touren anders gelaufen wären? Bevor ich mich gegen 21 Uhr an den Hauptbahnhof angestellt habe, hatte ich eine ältere Dame im Taxi. Sie hatte nicht genügend Geld bei sich gehabt und deswegen mussten wir einen Umweg über eine Bank machen. Und wenn Sie ausreichend Geld dabei gehabt hätte? Oder wenn ich auf der Rückfahrt nur grüne Ampeln gehabt hätte? Oder keinen „schleicher“ der mit Tempo 30, anstatt erlaubten Tepo 50 vor mir fuhr? Dann wäre ich am Bahnhof früher gewesen und die beiden Räuber wären vermutlich in meinem Taxi gewesen.

Ich mag darüber gar nicht mehr nachdenken – Taxifahren ist ein Job mit gewissen Risiko, schon klar. Überfälle kommen vor, aber haben bisher nie wirklich eine Rolle gespielt.
Die Verkäuferin an der Supermarktkasse oder Tankstelle denkt vermutlich auch nicht jeden tag darüber nach.

Für mich war das nie ein Thema gewesen. Erst jetzt dämmert mir womöglich, dass meine Arbeitsweise unter umständen als zu Risikofreudig angesehen werden könnte.
Ich fahre nachts gerne in Gegenden, die man in Bremen als „sozialen Brennpunkt“ bezeichnet…wo keiner Abends gerne alleine unterwegs ist.  Ich stelle mich an Taxiplätze, an denen oft nur südländische Kollegen stehen und die von deutschen Kollegen gerne gemieden werden. Es ist mir als „weißer deutscher“ egal. Ich studiere gerne die Großstadt
und liebe die Nacht. Ich war bislang immer komplett unbekümmert, was irgendwelche Risiken anging. Wenn ich nachts durch die leeren Straßen der Hansestadt cruise, sehe ich viele Menschen und Seelen, bei denen ich mir die Frage stelle „was geht bei dir ab? Warum bist du jetzt noch hier so spät unterwegs? Was geht in Dir vor?“

Ich bin anonym. Ich habe keinen Namen. Meine Fahrgäste nennen mich „Fahrer“ oder „Taxifahrer“. Das ist meine Geschichte, einen weiteren Rollennamen brauche ich nicht.
Ich merke inzwischen, dass ich kühler und distanzierter geworden bin. Nachts ist die Großstadt und Ihre Einwohner ehrlich. Man blickt manchmal in Abgründe und das Schattensein von Mensch und Großstadt. Das ist okay, ich habe nur die Rolle als Dienstleister und Beobachter. Ich fühle mich dort ziemlich wohl. Aber ich befürchte, dass mich das langsam runterzieht. Der Job bringt einen „magischen Sog“ mit,
dem man verfallen kann. Ich hoffe, dass mir das nicht wiederfahren wird. Vielleicht bin ich aber auch schon mittendrin und habe es nur noch nicht gemerkt.

# 57 – Doppelmoral

Es gibt Schichten wo viel über Politik gesprochen wird. Auffallend viele Fahrgäste möchten sich dann über ein bestimmtes Thema unterhalten. Als Trump zum US-Präsident gewählt wurde, habe ich damit gerechnet, dass darüber im Taxi gesprochen wird. Zu meiner Überraschung war dem aber nicht so.

Als Montag die Nachricht verkündet wurde, dass Frank Walter Steinmeier unser nächster Bundespräsident wird, hatte ich einige Touren wo es nur um dieses Thema ging.

Kurz vor 21 Uhr stieg am Taxiplatz „Brill“ ein Mann, mitte dreißig ein. Das Fahrtziel lag in Brinkum und unterwegs  hörten wir im Radio die Nachrichten. Nachdem die Steinmeier-Meldung kam, regte sich der Fahrgast auf und sagte:

– Soso, der Steinmeier. Das ist mal wieder verdammt heuchlerisch!

– Warum?

– Ausgerechnet der Steinmeier! Als Trump gewonnen hat, hat er mahnende Worte an Ihn gerichtet, dass er demokratische Werte einhalten soll! Dabei wurde Trump demokratisch gewählt und dieser Steinmeier hat nicht mal die Größe einem demokratisch gewählten US-Präsidenten zum Wahlerfolg zu gratulieren! Das ist an Arroganz und Überheblichkeit kaum noch zu überbieten! Aber dafür möchte er mit der Türkei wieder in den Dialog treten! Der fliegt diese Woche nach Ankara und will sich mit Erdogan versöhnen! Und zur Beschwichtigung soll über EU-Beitrittsverhandlungen noch gesprochen werden! Einem Diktator, der Menschenrechte und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt, reicht er die Hand! Aber Trump pauschal als Hassprediger zu verurteilen geht klar! Das ist heuchlerisch und
Doppelmoral!

– Naja, ändern können wir es sowieso nicht…

– Ne, können wir nicht! Selbst wenn wir es ändern wollen, werden wir sofort gestoppt! Das ist das nächste, was mich aufregt! Haben Sie diese Bilder aus den USA gesehen? Menschen protestieren gegen Trump. N24 hat gezeigt, wie Demonstranten eine  Trump-Puppe aufhängen! Und jetzt kommt der Hammer! Darüber berichten die wohlwollend!!! Der Nachrichtensprecher erzählte was vom kreativen Protest! Und was ist hier? Hier wurde doch mal auf einer Pegida-Demo ein Galgen angefertigt? Wissen Sie noch?

– Sie meinen den Galgen auf dem Stand „reserviert für Gabriel?“

– Ja! Genau! Und was haben die Medien sich das Maul zerrissen! Dort wurde geschrieben, dass das Pack wieder pöbelt! Von rechts Populisten und braunen Hetzern wurde berichtet! In den USA geht das klar, aber hier nicht? Merken Sie was! Da haben wir wieder Doppelmoral!

– Wer sollte denn Ihrer Meinung nach Präsident werden?

– Keine Ahnung! Vielleicht mal einen der mal wirklich demokratisch gewählt wird! Das mit der Demokratie ist ja bei uns ein echter Witz! Merkel, Steinmeier und co. predigen, dass andere Demokratie einhalten sollen! Und was passiert hier? Hier wird einfach mal hinter den verschlossenen Türen in Berlin ein nächster Präsident bestimmt! Da setzen sich CDU und SPD zusammen und setzen uns allen den Steinmeier als Bundespräsidenten vor! Da wird einfach mal was besprochen und beschlossen, wo bleibt denn hier die Demokratie? Ist das wirklich ein demokratischer Vorgang?  Das ist wieder mal so ein Beispiel für diese verdammte Doppelmoral! Und wenn das Volk einen anderen Präsidenten will? Das kannste dir ja gar nicht ausdenken! Wenn ich jetzt mit nem Anti-Steinmeier-Schild durch die Stadt laufe wo steht „this is not my president“, bin ich sofort ein Hetzer und Nazi!  

# 56 – Ablenkung

18.09 Uhr, Funkauftrag in Woltmershausen. Eine angetrunkene Frau, ende Vierzig, steigt ein

– Einmal zur Spielbank am Brill bitte

– Gerne. Heute wird also bisschen gezockt?

– Hmmm…ja, so kann man es nennen. Ich würde nicht zocken sagen.

– Sondern?

– Also ich würde es eher Ablenkung von zuhause nennen

– Ist es denn zu Hause so schlimm 😉 ?

– Nein, schlimm nicht. Sondern einsam. Mein Mann hat mich vor paar Monaten verlassen…  Sie dürfen jetzt nicht lachen, okay?

– Würde ich bei so einer ernsten Angelegenheit nicht tun…

– Also, mein Mann ist ein hohes Tier beim Meyer-Müller-Konzern. Und ganz klischeehaft hat er seine Sekretärin gevögelt. So ein junges Ding, gerade mal 25 Jahre alt.  

– Das ist….scheiße…tut mir leid

– Ach naja, so ist das Leben halt. Und dann hatte er ne Affäre mit Ihr. Und jetzt ist die blöde Kuh schwanger. Und jetzt ist er ausgezogen. Hat mit Ihr eine Wohnung bezogen, im feinen Oberneuland! Und mich hat er hier sitzenlassen! Und dieses junge Ding, hat sogar noch zuhause bei den Eltern gelebt! Ich wurde nach 16 Jahren Ehe ausgetauscht und abserviert. Und jetzt sitze ich alleine zu Hause. Das ist schlimm. Deswegen brauche ich Ablenkung.

– Und Sie meinen wirklich, dass die Spielbank das richtige Mittel ist?

– Ja, meine Ich! Ich habe mir zuerst gedacht „scheiß drauf“ ich such mir auch nen neuen. Ich habe das mit Blind-Dates, Friendscout und sowas probiert. Aber das kann ich nicht, ich bin zu alt für diesen Mist. Dann habe ich Rotwein getrunken. Wochenlang. Erst ne halbe Flasche täglich, dann eine ganze, dann waren es fast zwei. Ich will aber kein Alkoholproblem kriegen. Soweit kommt es noch! Also habe ich das mit dem Wein gelassen…und stattdessen fahre ich zur Spielbank. Das mache ich fast jedes Wochenende…denn am Wochenende ist es besonders schlimm, verstehen Sie? Ich ertrage es dort nicht mehr, ich muss raus. Und diese bunte Welt mit den Automaten und dem Geld bringt mich auf andere Gedanken.  Und Geld habe ich genug, mein Mann verdient gut…   

# 55 – Wintereinbruch

Das war er also, der erste Wintereinbruch im Norden. Letzte Nacht gab es in Bremen den ersten Schnee und Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Diese Nacht war zumindest Umsatz-technisch tote Hose in Bremen. An jedem Taxi-Halteplatz standen 4-6 Taxen, während der Bord-Computer vermeldete, das an jedem Taxiplatz innerhalb einer Stunde nur 1-2 Fahrten losgingen. Ich selbst, habe mein Glück am Taxistand „Lüneburger Straße“ ausprobiert, dieser befindet sich an der St.-Jürgen-Str. im „Viertel“, direkt an den Straßenbahnhaltestelle der Linien 2,3 und 10. Nachdem Ich 50 Minuten lang im Wagen saß und sich absolut nichts tat, beschloss ich eine Cola beim Werder-Imbiss nebenan zu ordern.

Mein Trinkgeld lag bis dahin bei 6,80 Euro. Während ich gedankenversunken meine Cola trank, positionierte sich ein Obdachloser mit einem alten Netto-Einkaufswagen voller persönlicher Habseligkeiten einige Meter neben mich. Ich habe dem zunächst keine Beachtung gegeben, bis mir dann dämmerte, dass der Mann womöglich an meiner Pfandflasche interessiert sein könnte. Ich musterte den Mann und war mir danach sicher, dass er direkt neben dem Mülleimer brav stand und geduldig nur auf diese Flasche zu wartete.

Ich bestellte Pommes und eine Bratwurst. Dann ging Ich direkt zu Ihm, gab Ihm das Essen, die Pfandflasche und mein restliches Trinkgeld. Er schaute mich nur wortlos an. Ich ging zurück zum Taxi, dann rief er mit zittriger Stimme hinterher:

– Warum?

– Was meinst du?

– Warum…machst du das?

– Hm….warum denn nicht? Dir ist kalt, das Geld hast du bestimmt mehr nötig als Ich und hungrig siehst du auch aus.

– Ja, danke…aber warum machst du das?

– Ich verstehe die Frage nicht, ich habe es doch gerade erklärt?

– Ich meine, du bist Taxifahrer, ich habe einen Freund der fährt auch Taxi. Ihr habt doch alle auch kaum Geld und könnt euch selbst kaum über Wasser halten.

– Naja…solange ich genug für die Miete und einen Döner habe, ist das für mich ausreichend. Und wenn ich etwas übrig habe, dann sehe ich keinen Grund, es nicht zu spenden.

– Machst du irgendwas ehrenamtliches oder so?

– Nein, eigentlich nicht.

– Ich verstehe das nicht! So etwas nettes hat scho lange keiner mehr für mich getan!

– Es ist nicht nett, es ist eigentlich die Pflicht eines jeden Menschen, anderen zu helfen! Machen wir doch jetzt bitte kein großes Ding daraus. Ich wünsche dir einfach einen guten Hunger.

– Nein, nein, du verstehst das nicht! Die anderen machen so etwas nicht! Die anderen sehen mich nicht als Mensch, sondern nur als ein Stück Müll…

– Ich bin sicher, dass das so nicht stimmt…

– Doch, doch! Vorhin wollte ich mein Nachtlager bei der Sparkasse da drüben aufmachen (er zeigte auf die Bank-Filliale auf der anderen Straßenseite) und als ich mich gerade
hinlegen wollte kam so ein Typ! Und dieser Typ, der schrie mich an, ich solle verschwinden und er spuckte auf mich! Dann stieg er in sein Auto und fuhr weg…ich glaube das war ein Porsche oder so, der hatte jedenfalls viel Geld…

Ich hatte keine große Zeit mir eine Antwort zu überlegen, denn mein Taxi-Computer vermeldete in dem Moment einen Fahrauftrag für mich. Ich wünschte den Mann eine gute Nacht und machte mich auf dem Weg.

Jobgespräche

Was Ich an der Taxibranche so mag ist die Jobsuche – Ich vermute & behaupte jetzt einfach mal, dass die nirgendwo anders so einfach ist wie in diesem Gewerbe.

Es läuft meistens so ab: Man ruft einen Unternehmer an, stellt sich kurz vor, erklärt bei wem man vorher gefahren ist und wie lange man den Taxischein hat. Anschließend wird man irgendwo in Bremen hinbestellt zum kurzen Gespräch. Bewerbungsmappen, komplizierte Anschreiben, Lebensläufe, Arbeitszeugnisse? Wird völlig überbewertet und will keiner sehen. Einige Unternehmer verzichten selbst auf das Gespräch und lassen sich alles nötige per Whats App schicken.

Allerdings muss man auch stark aufpassen – Obwohl der gesetzliche Mindestlohn klar festgelegt ist, wird nachwievor gerne mal versucht weniger zu zahlen. Auszug aus einigen Jobgesprächen:

  • Also…Nachtschichten willst du fahren, oder?
  • Ja
  • Und was willst du verdienen?
  • Na, ich behaupte mal, dass jetzt der gesetzliche Mindestlohn die falsche Antwort ist?
  • Ja…ähm…also…ich würd ja gern den Mindestlohn zahlen, aber das kann ich mir nicht leisten. Ich lass dich als Teilzeitangestellter laufen, bezahl dir 850 Euro und wenn du über eine bestimmte Umsatzgrenze erreicht hast, kannste alles was darüber bezahlt wird behalten.
  • Im ernst? Wenn die Grenze mal angenommen bei 3000 Euro liegt und im Monat 4000 Euro einfahre, kriege ich die 1000 Euro so ausbezahlt?
  • Oh, du bist ja einer von den schlauen Fahrern. Neee, so meinte ich das nicht.
  • Sondern?
  • Angenommen du hast 1000 Euro mehr eingefahren als vereinbart, so darfst du davon 35 % behalten. Also 350 Euro. Plus 850 Euro brutto
  • Und wenn ich die Umsatzgrenze nicht erreiche?
  • Dann kriegste nix
  • Das heißt ich soll für 850 Euro Brutto Vollzeit Festgehalt fahren und dann jeden Monat auf irgendeinen unbekannten extra-Bonus hoffen?
  • Ja!

Erklärung dazu: 8,50 Euro beträgt der gesetzliche Mindestlohn. Ab Januar dann 8,84 Eur. Bei diesem Beispiel hätte ich bei Vollzeit 850 Euro / brutto verdient. Das würde einen Stundenlohn von unter 5 Euro bedeuten. Der angebliche Bonus denn man noch bekommt, sollte man mit Vorsicht genießen. Vor uns liegen die Wintermonate und da wird es schwierig irgendwelche Umsatzgrenzen zu knacken.

Ein Gespräch mit einem anderen Unternehmer:

  • Also, du kannst sofort für mich fahren. Nachtsicht von 18 bis 6 Uhr. 12 Stunden, alles klar?
  • Soweit glasklar. Und Bezahlung? Mindestlohn?
  • Öhm ja…wobei, wenn wir mal ehrlich sind, passt das ja nicht, kann ich mir nicht leisten. Du kriegst die 8,50 Euro aber nur für 8 Stunden.
  • Und 4 Stunden arbeite ich dann umsonst?
  • Das ist ein geben und ein nehmen! Mehr geht nicht! Und die 8 Stunden kann ich dir auch nur bezahlen, wenn du pro Schicht 150 Euro reinfährst! Sonst biste sofort raus!

Erklärung: 150 Euro Umsatz sind am Wochenende in Bremen kein Problem, aber auf einen Sonntag oder Montag-Abend ist das schon eine ganz andere Geschichte. Ich erinnere mich an Nächte im Januar wo die Kasse nach 10 Stunden im Taxi bei mageren 90 Euro lag…

Oder man macht es wie ein anderer Taxiunternehmer, mit dem ich gesprochen habe:

  • Tja, Ich würd dich gern einstellen, kann ich aber nicht.
  • Warum?
  • Ich habe 6 Taxen. Nachts stehen 5 aufm Parkplatz. Ich will keinen Stress mit der Behörde, deswegen zahl ich den Mindestlohn. Aber weil ich mir das nicht leisten kann, lasse ich es lieber ganz und meine Taxen stehen nachts unter der Woche. Die rollen Nachts nur am Wochenende
  • Und wie soll das auf Dauer funktionieren?
  • Gar nicht. Ich werde die Dinger irgendwann verkaufen. In 5 bis 10 Jahren wird es keinen einzigen Unternehmer geben, der mehrere Taxen hat. Jeder wird selbstfahrender Unternehmer. Und damit sich das lohnt, wird jeder 12 bis 15 Stunden im Auto sitzen. Denn als selbstfahrender Unternehmer, braucht man sich selbst keinen Mindestlohn zu zahlen. Also kann sich jeder selbst ausbeuten. Nur so kann das Taxigewerbe überleben.